Musik als öffentliches Gut

, Theorie


Anläßlich der Lektüre dieses Artikels (Tagesspiegel - Die Ideen der anderen) ist mir endgültig klargeworden, daß ich in der Frage des urheberrechtsverletzenden Raubkopierens von Musik im Netz auf Seiten der Piratenpartei stehe. Die betrifft sowohl Peer-to-peer-Netzwerke als auch illegale Up- und Downloads von geschützem Material auf YouTube, MySpace, last.fm, iLike und so weiter. Als Musiker bin ich natürlich hin- und hergerissen, da ich an den Urheberrechten meiner Werke verdiene. Die Tantiemen für meine Bühnenmusiken treibt die GEMA sehr schön für mich ein, und wenn ich aktiver im Musikbusiness wäre, könnte das im Erfolgsfall für Radioplays und CD-Verkäufe ähnlich laufen; ebenso für Konzerte mit eigenem Material.

  1. Weder scheint es machbar, die illegale Nutzung von Musik zu unterbinden, noch läßt sich, erst einmal rein auf der faktischen Ebene, ein Unrechtsbewußtsein bei den Nutzern erzeugen. Da muß ich mich nur an die eigene Nase fassen: selbstverständlich höre ich mir an, was auch immer mich interessiert, selbstverständlich sehe ich mir auf YouTube Videos an, die unmöglich legal dort stehen können, tausche und kopiere ohne Grenzen und Bedenken.

  2. Ich betrachte die Nutzung von jedweder verfügbarer Musik auch ohne Erwerb der Nutzungslizenz auch nur unter großem Widerstand als moralisch verwerflich. Das Einzige, was mich stört, ist der schlichte Tatbestand, daß es illegal ist, ich also gegen geltendes Recht verstoße. Ansonsten ist meine Intuition, daß Musik, gute Musik jedenfalls, von so vielen Menschen gehört werden sollte wie möglich, auch und gerade von den Einkommensschwachen aller Länder. Musik gehört allen - ebenso wie Wissen allen gehört. Auf dieser Analogie werde ich für den Rest dieses Postings herumreiten.

  3. Wie auch der Artikel argumentiert: die Hauptprofiteure des Urheberrechts sind nicht die Künstler, sondern die Medienunternehmen. Auch wenn manch ein Künstler durch Tantiemen ziemlich reich wird, ist das doch ein insgesamt eher untergeordneter Punkt - vor allem für die überwältigende Mehrzahl der Künstler, die (noch…) nicht die Charts oder Ähnliches dominieren. Mein Mitleid mit den Medienkonzernen hält sich in ziemlich engen Grenzen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, wie stark sich gerade die größeren von ihnen für die Vermainstreamung der Kultur verantwortlich sind. Beim Wissen (Analogie!) sind die wissenschaftlichen Journals sogar die Einzigen, die verdienen: der Wissenschaftler, der dort publiziert, bekommt gar nichts für seinen Text.

  4. Wenn der Wissenschaftler nichts an seinen Urheberrechten verdient: wovon lebt er dann, und was bedeutet das für Musiker? Der Wissenschaftler hat im Erfolgsfall eine Stelle an einer Uni oder Forschungsinstitution. Für seine erfolgreiche Bewerbung sind gute und zahlreiche Publikationen eine entscheidende Voraussetzung, so daß er seine wirtschaftliche Existenzgrundlage implizit sehr wohl der Qualität und Quantität seiner veröffentlichten Texte verdankt. In den allermeisten Fällen wird sein Gehalt von der öffentlichen Hand gezahlt, was dadurch begründet ist, daß von seiner Arbeit als Wissenschaftler (und akademischer Lehrer, zugegeben, auch) die Allgemeinheit profitiert. Ökonomisch ausgedrückt korrigiert der Staat durch die Finanzierung der Unis ein Marktversagen, namentlich daß der freie Markt aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive zu wenig Wissen produzieren würde.

Wenn die Gesellschaft also mehr oder bessere Musik braucht, wovon ich mal ausgehe, und sich nicht damit zufrieden gibt, daß Musik (abgesehen von den glücklichen Gewinneren eines Platzes an der Sonne der schrumpfenden Musikindustrie) nur in der Freizeit von Musikschullehrern oder Taxifahrern oder von Schmarotzern beim Lebenspartner oder den Eltern gemacht wird, der muß darüber nachdenken, wie Strukturen aussehen könnten, die Geld vom Steuerzahler möglichst effektiv und zielgerichtet zu den besten Musikschaffenden bringen, die so in die Lage versetzt würden, sich ganz auf ihre Arbeit zu konzentrieren, ohne die Wahl zwischen Day-Job und Prekariat zu haben. Damit wäre eine Vergütung des Urheberrechts ersetzt durch eine „Kulturflatrate“ mit Einkommensteuerprogession (sprich Gerechtigkeit) auf der Aufkommensseite.

Wie könnte man auf der Verteilungsseite Qualität und Quantität des Outputs sichern, wie weit trägt die Analogie zur Universität? Stipendien? Wer entscheidet sowas, wer ist die Jury? Ist das eine Idee: http://fr.wikipedia.org/wiki/Intermittent_du_spectacle?