Abschied, Neubeginn

, Theater


Im Zug nach Düsseldorf auf dem Weg zur Derniere der Möwe. Genauer gesagt, zu einer Umbesetzungsprobe, bevor wir morgen zum letzten mal die Möwe spielen. Fritz Schediwy, der Darsteller des Sorin, ist am 23. Mai nach einer Lesung einem Herzinfarkt erlegen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie man adäquat damit umgeht, wenn ein Schauspieler kurz vor der Derniere verstirbt. Umbesetzen und einfach spielen (und, was für eine Anmaßung immer, “das hätte er bestimmt auch so gewollt” behaupten)? Wohl kaum. Absagen und stattdessen eine Trauerfeier? Hätte ich gemacht. Umbesetzen und Trauerfeier? Nun gut.

Ich nehme nicht nur von der Möwe, Sorin und dem Düsseldorfer Schauspiel Abschied, sondern auch vom Theater. Ein Jahrzehnt voller Hoffnungen und Enttäuschungen, Aufregung und Langeweile, Musik und der Abwesenheit von Musik, Emanzipation und Subordination, Selbstverwirklichung und Dienstleistertum, Aufbruch und Stagnation, Aufrichtigkeit und Falschheit, Selbsterkenntnis und Selbstbetrug, voller netter, kluger, interessanter Leute und voller Arschlöcher, Dummköpfe, Langeweiler.

Damit geht auch einem zentralen Thema dieses Blogs die Puste aus. Aber Schluß mit Theatermusik bedeutet ja nicht Schluß mit Musik. Mein voriger Beitrag, in dem ich auf einen (populär-)wissenschaftlichen Artikel verwiesen hatte, war noch mit dem Vermerk “leicht off-topic” versehen, weil ja über dem Blog etwas mit Musik steht. Damit aus dem Abschied vom Theater für diesen Blog gleich ein Neuanfang entspringt, ändere ich das Motto leicht, so daß so ein Beitrag gar nicht mehr off-topic wäre. Ab jetzt steht das Gefühl ganz im Mittelpunkt. Damit ist Musik ja immer noch drin, quasi automatisch. Die Musik, die nicht mit dem Gefühl zu tun hat, soll mir mal einer zeigen. Aber auch wissenschaftliche Arbeit muß ich dann nicht mehr hineinmogeln - nicht, daß man auf einem Blog nicht sowieso machen kann, was man will, aber man will ja nicht, daß man machen kann, was man will. Jedenfalls will ich nicht machen, was ich will. Das wird bleiben, bis der Sensenmann kommt.